Liesl Karlstadt
(ihr richtiger Name lautet Elisabeth Wellano) ist lt. Süddeutscher Zeitung
vom 25.07.2001 Münchens bekannteste Entertainerin. Sie hat viele Instrumente
gespielt (Klarinette, Posaune, Piston, Bombardon, Gitarre, Zugharmonika),
schrieb sich wie Valentin ihre Texte selbst. Die beiden schufen auch viele
Texte ihrer Komödien gemeinsam. Sie wurde vor allem bekannt als geniale
Partnerin von Karl Valentin. Sie war aber viel mehr, als nur seine Partnerin,
sie war auch seine Mitautorin, seine Organisatorin, seine Souffleuse, seine
Psychiaterin und vor allem perfekt im Improvisieren. In alten Programmzetteln
und Kinoplakaten wird ihr Vorname übrigens auch oft ohne 'e', also Lisl,
geschrieben.
Liesl Karlstadt hat auch als
Mitautorin an Valentins Werk mitgewirkt. Sicher ist, dass sie z.B. Die Anregung
zu "In der Apotheke" und "Der Firmling" lieferte und auch das Wahnsinnswort
Isopropilprophemilbarbitursauresphenildimetildimentylaminophirazolon
aus "In der Apotheke" war ihre Erfindung. Aber sie war sicher bei vielen
anderen Stücken zumindest anregend mit dabei. 3 Manuskripte sind jedenfalls
bekannt, die ganz von ihr stammen, nämlich "Geschäftsheirat", "Verein
der Katzenfreunde" und "Die deutsche Laugenbrezel", eine Parodie auf Hitler-Reden.
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Am12.12.1892 steht in den Münchner Neuesten Nachrichten, dass "dem Bäckermeisterehepaar Ignaz und Agathe Wellano im Anwesen Zieblandstr. 11 ein siebenpfündiges Mädel geboren wurde, das den Namen Elisabeth erhielt". Sie ist das 5. von 9 Kindern. Ihr Vater, ein Bäcker, stammt aus Osterhofen und ihre Mutter war die Tochter des Orgelbaumeisters Edenhofer aus Regen.
Die bösen Buben schreien ihr oft nach "Wellano - Italiano - lebst a noo!" Die Vorfahren des Vaters stammten aus dem italienischen.
Sie wächst in ärmlichen Verhältnissen
auf und kommt nach dem Besuch der Volksschule 2 Jahre später zum Eder
am Viktualienmarkt in München in die Lehre und arbeitet dann als Verkäuferin
im großen Münchner Kaufhaus Hermann Tietz, das es noch heute unter
dem Namen Hertie (das ist die Kuzfassung des Namens Hermann Tietz)
gegenüber dem Münchner Hauptbahnhof gibt.
Wie Liesl Karlstadt zur Bühne kam, darüber gibt es verschiedene Versionen, wie es wirklich war, ist nicht bekannt. Auf alle Fälle wird sie 1910 Mitglied einer Dachauer Bauernkapelle, die im "Frankfurter Hof" auftritt; wo sie als Soubrette von der Chorsängerin bis zur Schauspielerin die unterschiedlichsten Rollen spielen muss. Auch in anderen Wirtschaften tritt sie auf, u.a. in der noch heute existierenden Max-Emanuel-Brauerei in München.
1911 treffen der 10 Jahre ältere Karl Valentin und die Verkäuferin Liesl im Frankfurter Hof aufeinander. Valentin tritt dort als Solist auf und sie war gerade erst als jugendliche Soubrette ins Ensemble aufgenommen worden. Sie intonierte dort schwermütige Schlager wie "Elterngrab". Eines Abends erklärt ihr Valentin in der Künstlergarderobe, dass sie für eine Soubrette viel zu mager sei und vor allem einen viel zu kleinen Busen habe. Außerdem sei sie viel zu brav und schüchtern. Eine Soubrette hätte einfach kess zu sein. Er meint aber, dass sie durchaus ein komisches Talent habe und rät ihr, sich auf das komische Fach zu verleben. Zuerst ist sie beleidigt, befolgt später aber seinen Rat. Valentin verfasst für sie eine Parodie auf eine Soubrette und sie hat damit großen Erfolg. Ebenfalls 1911 spielen die beiden die erste gemeinsame Szene: "Alpenveilchen oder das Tiroler Terzett", eine Parodie einer bayerischen Gebirgssängergruppe.
Valentin findet, Wellano sei eine Name für einen Trapeznummer: "Für mich heißen Sie ab heute Liesl Karlstadt". Karlstadt war eine Erfindung von Karl Valentin, als Hommage an Karl Maxstadt gedacht.
Liesl Karlstadt tauscht ihre Stellung als Verkäuferin gegen ein Engagement bei den Volkssängern ein.
Bei Karl Valentins Auftritten 1915 im Varieté-Saal Wien-München im Hotel Wagner in der Münchner Sonnenstraße spielt den Kapellmeister übrigens nicht, wie ab den 20er-Jahren die Liesl Karlstadt, sondern der Komiker Karl Flemisch. Liesl Karlstadt sitzt damals noch als Musiker Zirngibl neben Valentin im Orchester.
Am 27.09.1918 hat sich "Seine Majestät König Ludwig III. allergnädigst bewogen gefunden", Liesl Karlstadt das König-Ludwig-Kreuz für Heimatverdienste zu verleihen.
Valentin denkt auch nicht daran, seine Frau Gisela zu verlassen. Ihr Versuch, eine eigene Ehe zu schließen, scheitert leider, weil ihr Verlobter schon vor der Hochzeit stirbt.
Liesl Karlstadt ist ein Naturtalent und bringt etliche
Anregungen mit. So wird ihr auch vertraglich in 25 großen Komödien
ein Miturheberrecht gutgeschrieben.
Karl Valentin und Liesl Karlstadt gehören zu den
ganz wenigen Komikern in der Volkssängerepoche. 1919 macht Liesl Karlstadt
schon erste Plattenaufnahmen, sogar 9 Jahre vor Karl Valentin!
1931 spielt Liesl Karlstadt in Bruno Franks
"Sturm im Wasserglas" die Frau Vogel mit sehr großem Erfolg. Und nach
der Vorstellung fährt sie vom Schauspielhaus ins Kolosseum, um dort
mit Karl Valentin aufzutreten, was nur möglich ist, weil Valentin als
Höhepunkt immer am Ende der Vorstellung auftritt. Schon bald erhielt
sie auch neue Engagements.
Obwohl Liesl Karlstadt schon früh ins komische Fach gewechselt ist, bleibt ihr Wunsch, gängige Rollen zu spielen, doch bestehen und sie nimmt 1950 Schauspielunterricht.
Im Oktober 1934 konnte Karl Valentin seinen Traum
verwirklichen und ein Panoptikum eröffnen. Leider musste es schon 1 Jahr
später, im November 1935, wegen mangelndem Interesse der Münchner
wieder geschlossen werden. Das Projekt hat nicht nur Valentins Vermögen
verschlungen, sondern auch das von Liesl Karlstadt, die nach der Pleite einen
Nervenzusammenbruch erleidet.
1946 tritt sie wieder als Frau Vogel in
"Sturm im Wasserglas" auf.
Ende 1947 / Anfang 1948 tritt Liesl Karlstadt: noch Mal gemeinsame Auftritte mit Karl Valentin auf.